Wolfgang Tomášek

 

 

 

Flüsse und Muster

 

Ökologische Gedanken zu einer Donaufahrt

Öko-Text

 

4

 

Stand 1.9.2001 (1980)

 

 

 

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1.  Eine Donaufahrt und erste Vermu­tun­gen

 

2.  Grundvorstel­lungen über Flüsse und Muster

 

3.  Beispiele für Mu­ster­bildung in der Land­schaft

 

     3.1. Natürliche Muster

 

     3.2. Kulturelle Muster

 

 

 

     Literaturhinweise

 

 

 

 

 

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1.  Eine Donaufahrt und erste Vermu­tun­gen

 

Eine Fahrt entlang der Donau in Schwaben -­ von Dorf zu Dorf, von Städtchen zu Städtchen: Sigma­rin­gen, Ehingen, Ulm, Günzburg, Lau­in­gen, Dillin­gen, Donau­wörth...

 

 

Ausgangs­punkt:

Fluß mit begleitenden

Siedlungsket­ten

 

Auf der Land­karte: eine Kette von Siedlungen entlang des Flusses, ver­bunden durch die Straße. Am anderen Flußufer nur ein kleines Sträßlein, streckenweise nur Wege zwi­schen den Dörfern. Hier und da eine Brü­cke; nicht immer läuft die Hauptket­te der Sied­lungen auf der gleichen Seite des Flusses. Der Fluß mit den beglei­tenden Sied­lungs­ket­ten - wie ein Geschmeide in der >Land­schaft, ver­knüpft wie­derum mit dem Netz­werk der Siedlun­gen und Straßen im benachbar­ten Land. Uralte Sied­lungen, durchtränkt von Vergan­genheit. Schlös­ser und Kirchen und Klöster: Schriftta­feln, Bild­bände und Land­schafts­bücher erklä­ren Geschich­te und Kunst der kostba­ren Bauwerke - eine Freu­de zum Lesen, wenn man es mit Muße tun kann.

 

Warum ist alles so und so geordnet?

 

Doch bleibt Unzu­frie­den­heit: Nur stückweise ist zu ver­stehen, warum das hier ge­rade so und nicht an­ders ist. Warum es aber all­gemein so sein muß, warum die großen Linien so und so verlaufen, das ist ohne weiteres nicht zu ver­ste­hen. Der erklä­rende, Gesetzmäßig­kei­ten auf­zeigende Teil von Ge­schich­tswis­senschaft und Geo­graphie er­scheint noch vergleichs­weise schwach; die Ver­bindung zur Phy­sik ist noch dünn. Wo ist die Geo­graphie oder die Ge­schich­tswis­senschaft, die Raum- oder Zeit­muster vor­hersagen kann, an der Donau, in den Anden, auf dem Mars oder auf einem Planeten, der um einen fer­nen Fixstern kreist?

                  

Fernziel: Axiomatische

Geographie auf syner­getischer Grund­lage

 

Viel­leicht wird solches versprochen von einer verall­gemei­nerten >Ökolo­gie oder >Öko­physik, viel­leicht auch von der neuen Dis­ziplin der >Syn­ergetik - also von einer Wis­sen­schaft von den >Um­weltbe­ziehun­gen und vom Zu­sam­men­wir­ken von >Sy­stemen mit >Energie­umsatz und zeit­li­cher Ent­wick­lung zu >dyna­mischen >Gleichge­wich­ten. Eine solche Wis­sen­schaft wäre wohl am ehesten in der La­ge, ein Koor­dinaten­sy­stem aufzu­span­nen, auf dem gleich­zeitig die Dynamik der Fluß­syste­me, der natürli­chen >Ökosy­steme und des tech­nisch-kulturell be­stimmten Siedlungs­ge­flech­tes ih­ren Platz finden könn­ten. Sie könnte wohl am ehesten diese Dynamik in >Axio­men, also allge­meinsten Grundannah­men fassen und ihre Lehrsätze von diesen Axiomen ableiten. Damit könnte man dann anknüp­fen an die Axio­me der Physik. Im Fol­genden soll skiz­ziert werden, was damit ge­meint ist.

 

 

 

2.  Grundvorstel­lungen über Flüsse und Muster

 

 

In einem offenen Sy­stem entstehen Stoff­ströme und Stoffkreis­läufe, ...

 

 

 

Die erste Grundvorstel­lung ist die Entstehung von Stoff­strömen in einem offenen System mit Energie­um­satz und bewegli­cher Materie: Die ankommen­de Ener­gie hoher Span­nung - in der Landschaft die Son­nen­energie als kurz­wellige elektromagne­tische Strah­lung - wird vom System aufgenom­men. Wenn das Sy­stem nur die gering­sten Un­gleichmä­ßigkeiten im Energiestrom aufweist, entstehen Spannungs­un­ter­schiede. Die haben die all­gemeine Ten­denz, sich aus­zuglei­chen; dadurch wird Materie in Bewe­gung gesetzt; es bilden sich Stoffströme und im dyna­mischen Gleichgewicht >Stoff­kreis­läufe. Die Energie wird schließ­lich in glei­cher Menge, aber ge­ringe­rer Spannung - in der Land­schaft in der Form lang­welliger Wär­me­strah­lung - in die Um­welt, letztlich in den Welt­raum entlas­sen.

 

... aber auch

Selbstverstärkungen, ...

 

Eine ergänzende Grundvor­stel­lung ist die Entste­hung von Selbst­verstär­kungen: Kleinste Unre­gelmäßig­keiten in der Umwelt der Stoffströme erzeugen Spannungsun­terschiede in den Stoff­strö­men selbst; dadurch wird gleichmäßige Be­wegung zu ungleichmä­ßi­ger Bewegung; es ent­ste­hen Beschleuni­gungen oder Verzöge­run­gen, die weitere Be­schleuni­gun­gen oder Verzögerun­gen nach sich ziehen können - also po­sitive >Rückkopplun­gen, Selbstver­stär­kun­gen. Weil neu Energie nach­geliefert wird, können sie wach­sen, sich auf­schau­keln. Solche Selbstver­stär­kun­gen haben, wenn sie sich un­gebremst aus­brei­ten kön­nen, zerstö­rende Wir­kung; sie sprengen ir­gendwann die Gren­zen des Sy­stems.

 

... die sich gegenseitig als Regelkreise begren­zen, ...

 

 

... Gestalten ...

 

 

Wie aber po­sitive Rück­kopplungen eine Bewe­gung ver­stärken, so kön­nen negative Rückkopplun­gen - >Re­gel­kreise - eine Bewe­gung bremsen oder eine Be­schleu­ni­gung be­schränken und dadurch sta­bile Be­we­gungsabläufe hervor­brin­gen. Solche Regel­kreise erzeu­gen scharfe Gren­zen und damit Ge­stalten in einem System von zu­nächst diffus be­weg­ter Materie - etwa die scharfen Grenzen zwi­schen zwei Was­serwir­beln mit entgegenge­setzter Drehrichtung.

 

... und geordnete

Mu­ster bilden.

 

Die dritte Grundvorstel­lung ist die Bildung ge­ordneter Mu­ster. Wenn in einem räum­lich aus­ge­dehnten Ener­giestrom, etwa im Son­nenlicht, das auf die Erde fällt, im Wind, im fließenden Was­ser, ver­schiedene Selbst­ver­stärkungen auftreten, dann müssen sie mitein­ander konkur­rieren, sich gegen­seitig die Energie­zufuhr schmä­lern. In ei­nem >Kon­kur­renzfeld mit meh­reren gleichartigen Selbstver­stärkungen wird die Ten­denz dahin ge­hen, daß die stärkeren die schwäche­ren auf­zeh­ren, bis schließlich nur mehr eine einzige Selbst­ver­stärkung übrigbleibt, die dann ihre - begrenzte - Umwelt so verändert, daß sie sich schließ­lich ent­we­der selbst zer­stört oder in einem Regel­kreis selbst ins Gleich­ge­wicht bringt. Wenn aber die selbstver­stärkende Kraft mit der räumlichen Ent­fernung vom jeweili­gen Maximum der Selbst­ver­stär­kung abnimmt, wie es in der Landschaft im all­gemei­nen der Fall ist, dann wird sich ein Feld mit mehreren gleicharti­gen, relativ gleich­star­ken Selbstver­stärkungen aus­bilden, die an ihren ge­gen­seiti­gen Grenzen auf­einander als Regel­kreise wirken und sich damit sta­bi­lisie­ren.

 

Aus Chaos

entsteht Ordnung.

 

Das heißt: Es wird sich ein räumlich ge­ordnetes Mu­ster bilden. Die ur­sprüng­liche Vertei­lung der Selbstver­stärkungen kann unregel­mäßig ge­wesen sein; das End­ergebnis ist regelmä­ßig.

 

Geordnete Muster fin­den sich mannig­fach im bio­logi­schen, erst recht im technisch-kulturellen Be­reich, aber auch schon in der anorgani­schen Natur. Läm­mer­wolken, Schaum, Sand­rippeln, wachsen­de Kri­stal­le, aber auch ein Moospolster, eine Mö­venko­lonie, eine ganze Stadt sind solche ge­ord­neten Muster, die aus dem Kon­kurrenz­kampf gleich­ar­tiger Selbstver­stärkungen um Raum und räumlich aus­gebrei­tete >Res­sour­cen entstanden sind. Im folgenden soll versucht werden, die all­gemei­nen Grund­vor­stel­lungen über Mu­sterbildung auf einige der augen­schein­lich ge­ord­neten Muster in der Land­schaft anzuwen­den.

 

 

 

 

3.  Beispiele für Mu­ster­bildung in der Land­schaft

 

 

3.1. Natürliche Muster

 

 

Beispiel Lämmerwolken

 

 

 

Die Sonne scheint aufs Land. Luft wird am Bo­den erwärmt, dehnt sich aus und steigt auf. Kühle Luft fließt von anderswo nach; der dort ver­dünnte Be­reich wird durch die Luft aus der Höhe auf­ge­füllt; ein Luft­kreis­lauf, ein lokales Wind­system ist entstan­den. Ähn­lich ent­stehen die großen Wind­systeme zwi­schen hei­ßen und küh­leren Zonen der Erde. In den Luftströ­mun­gen entste­hen durch win­zige Unregelmäßig­keiten lo­ka­le Wirbel und Wir­bel­stra­ßen. Hin­ter einer Bodenwelle zum Beispiel bildet die darüber­flie­ßen­de Luft eine stehen­de Wellen­bewe­gung wie das Wasser hinter einer Sohlschwelle; bei bestimm­ten Wetterbe­din­gun­gen bildet sich das Wellenmu­ster der Luft­dichte und der Konden­sati­onsbedingun­gen für Was­ser­tröpf­chen in re­gel­mäßigen Wolken­strei­fen ab. Ohne die Ener­giezufuhr durch die Son­ne würde sich da­gegen eine gleich­mäßig diffuse Gasschicht im >thermody­nami­schen Gleich­gewicht aus­bilden.

 

Beispiel Flußsysteme: Konkurrenz um Wasser­einzugs­gebiete

 

Die Sonne scheint aufs Meer. Wasser verdun­stet, wird mit der Luft­strömung verfrachtet, kondensiert in den Wol­ken und regnet wieder herab. Die Regen­tropfen su­chen den Weg nach unten; wo eine win­zi­ge Vertie­fung ist, sammeln sie sich. Dort greift das Wasser mit der verein­ten Kraft mehre­rer Tropfen stärker an; so wäscht es sich einen Weg frei. Ein Wasser­lauf ver­stärkt sich selbst und tritt in Kon­kurrenz mit anderen Wasserläufen um die Nie­der­schlags­gebiete und damit um die Ener­gie des fal­lenden und fließenden Regen­was­sers. Ein Bach, der sich tiefer eingeschnit­ten hat, kann seine Talhän­ge schneller ben­agen als der weni­ger eingeschnit­tene Bach im Ne­bental; so wird er seine Wasser­schei­den, die Grenzen sei­nes Nieder­schlagsge­bie­tes, in das bisherige Nie­der­schlagsgebiet des Konkur­renten hin­aus­schieben. Aus dem Kon­kurrenz­kampf zwi­schen den Selbstver­stär­kun­gen der Wasser­läufe in ih­ren Tälern entstehen die geordne­ten Ver­zweigungs­muster eines Flußsystems. Der Fluß selbst pen­delt re­gelmä­ßig im Tal hin und her; auch das Tal bildet >Mäan­der; Flußmä­an­­der und Talmäander über­lagern sich; auch hier bildet eine Konkurrenz der Fluß­schlingen geordnete Muster, ge­nährt von den Selbstver­stärkungen des erodie­renden Was­sers an den Prall­ufern - so lange, bis die Ei­nebnung der Höhenun­terschiede als Re­gel­kreis wirkt. Welch ge­staltbildende Kraft schon das fließende Wasser in hartem Un­ter­grund be­sitzt, zeigen die Strudel­mühlen, die sich biswei­len in Schluchten finden: run­de Töpfe im Ge­stein, in de­nen eine Steinkugel vom fließen­den Wasser in einer Richtung umge­trieben wird - ein geologischer Infor­mationsspeicher. Ohne je­de Planung bilden sich solche Ord­nungen, ja ohne biologi­sches Leben; sie werden al­ler­dings überlagert von den Ord­nungen des Le­bens.

 

Beispiel Blattverteilung:

Kon­kurrenz ums Licht

 

Die Sonne scheint aufs Land, trifft auf grüne Blätter. Ein­richtungen und Programme liegen vor, die Energie des Lichts umzuwandeln in che­misch gespeicherte Energie, in "ge­spannte Mole­külfedern" - >Koh­le­hydra­te, Fett und an­dere Stoffe. Die Energie wird dazu einge­setzt, aktiv über die Wurzeln Nährstoffe heranzu­schaf­fen, um wie­der wei­tere Blätter her­vor­zutreiben und wiederum mehr Son­nen­licht auf­zu­fangen. Die Pflanze, die sich mehr Sonnen­ener­gie zuführen kann, wächst und vermehrt sich besser, stärkt sich aufkosten ihrer Nach­barn, die sie über­schattet und denen sie Wasser und Nährstoffe weg­saugt. Mannig­faltig wird der Kon­kurrenz­kampf der Blätter um Licht, der Wurzeln um Wasser und Nährstoffe geführt, im Grunde ähn­lich wie der Kon­kurrenz­kampf der Was­serläufe um die Nie­der­schlags­gebie­te. Auch hier sind geordnete Muster das Ergebnis - in der Vertei­lung der Blätter und der Pflan­zen, besonders ausge­prägt sichtbar etwa im Blatt­werk der Buche, des Wilden Weins oder der Seerose. Weil das Son­nenlicht im Prinzip über­all gleich scheint und durch die Pflanzen nicht verän­dert werden kann - ver­mutlich deshalb haben die Pflanzen kei­ne Fort­bewe­gungs­organe ent­wi­ckelt. Für sie ist nur die Kon­kur­renz mit den unmittel­baren Nach­barn wichtig, und für die­sen Kon­kur­renzkampf haben sie eine Fülle von Waf­fen und Tricks erfunden.

 

Beispiel Tierterritorien:

Konkur­renz um Weide-

oder Jagdgründe

 

 

 

Die Sonne scheint aufs Land; ihr Licht wird aufge­fangen von den Blät­tern, umge­wandelt in chemische Energie, als solche kon­zentriert und angehäuft. Diese kon­zen­trierte che­mische Ener­gie holen sich an­dere Lebewesen, die sich viel weniger ums Sonnen­licht küm­mern, die Tiere. Einige ernäh­ren sich von Pflanzen, einige von anderen Tieren. Weil sie, anders als die Pflanzen, selber ihre Energie­quelle be­ein­flussen - zum Bei­spiel ein Stück Weide abgrasen - deshalb müssen sie sich fortbe­wegen, um wieder an neue Energie zu kom­men. Jedes der Tiere hat ein Pro­gram­m, sich aufzu­bauen aus den Nahrungs­stof­fen der Umwelt, sich zu schützen, zu wehren und fortzupflan­zen. Jedes solche Erb­pro­gramm, ja jeder seiner Teile, jedes >Gen, kann als eine kom­pli­zierte, sich selbst för­dernde che­mi­sche Ver­bin­dung be­trach­tet wer­den. Statt der mechani­schen Selbstver­stär­kung der Fluß­täler findet sich hier eine chemische Selbstver­stärkung, eine ">Auto­katalyse". Erb­pro­gramme oder Gene, die ihrem Träger ermög­li­chen, mehr oder sicherer Nach­kommen zu erzeu­gen als andere Erb­pro­gram­me oder Gene, die um die gleichen Res­sour­cen kon­kurrie­ren - die wer­den sich allmäh­lich durch­setzen und verbrei­ten und die ande­ren verdrän­gen. Jedes Erb­programm kann also als ein selbst­ver­stärkendes System gese­hen wer­den, das mit ande­ren Pro­gram­men um den Anteil im Energiestrom kon­kur­riert, mit wieder anderen Programmen positiv zusam­menarbei­tet. Und weil das Pro­gramm nur über die Nachkommen­schaft erhal­ten werden kann, des­halb sorgen die Lebe­wesen für ihre Nach­kom­men­schaft, suchen sie die Überle­bens­wahr­scheinlich­keit ihrer Nach­kom­men zu ver­größern. In Fa­milien, Sippen, Stäm­men, Rassen, Ar­ten verkör­pern sich die selbst­ver­stär­kenden ge­ne­tischen Program­me. Das Ergebnis ihres Kon­kur­renz­kampfs sind auch hier geord­nete Muster, etwa die mo­saikartig das Land überzie­henden Ter­ri­torien jagen­der Tiere. Aktiv bekämp­fen jagende Tiere oder Rudel ihre Kon­kurrenten und ver­teidi­gen die Gren­zen ih­res Reviers bzw. Terri­tori­ums und damit ihren Anteil am Ener­gie­strom.

 

Die Lebewelt kann sogar als "Konkur­rent" zu den Selbst­ver­stärkun­gen der im biolo­gischen Sinn unbelebten Fluß­systeme auftreten: Wo Wald das Land bedeckt, sind dem Flußhoch­wasser die Spit­zen ge­bro­chen; wo Was­serpflan­zen einen Was­serlauf ver­krauten, da breitet sich das Was­ser aus, ver­liert an Kraft; die Lebewelt zehrt am Wir­kungs­grad der Wasserero­sion, also der Selbst­verstär­kung der Was­ser­läufe.

 

 

 

3.2.  Kulturelle Muster

 

 

Beispiel Höfe und Dör­fer: Konkurrenz bäu­erlicher Familien ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

... überlagert von Zu­sammenarbeit in Dörfern

 

Die Sonne scheint aufs Land; ihr Licht wird aufge­fangen von den Blät­tern der Ge­treide­pflan­zen; ihre Energie wird als Stärke im Korn gespei­chert. Die Bauern ernten das Korn; es wird zusam­mengefahren in den Korn­speicher des Bauernhauses; hier können die Winter­vor­räte bes­ser gegen die Mäuse ge­schützt wer­den als auf dem Acker. Die selbstver­stärkende Einheit der Bauern­fa­milie hat ihre Ä­cker und ihr Bauern­haus. Streng wacht sie darüber, daß keine andere von ihrem Acker erntet; ge­naues Recht konser­viert die Muster des Grundbe­sitzes, der Anteil am Ener­giestrom des Sonnen­lichts be­deu­tet. Trotz der grund­sätzlichen Kon­kur­renz der Fa­milien auf der landbau­lich genutz­ten Fläche werden die Häuser aber zusam­menge­baut in Dör­fern. Warum? - Zu­sammen­wohnen im Dorf bringt man­cherlei Vor­teile. Man kann besser kommuni­zie­ren, sich besser gegen­seitig aus­helfen, sich besser ge­meinsam schützen ge­gen Ge­fah­ren. Zusammenar­beit, >“Sym­biose", über­lagert die Konkur­renz, ohne sie auf­zuheben. Im Dorf wird die Energie des Korns räum­lich konzen­triert umge­setzt und in menschliche und tieri­sche Muskelener­gie umgewan­delt, in mecha­ni­sche Arbeit, die die Ord­nung der Be­hausun­gen und Geräte auf­baut und auf­rechterhält. Das Dorf wächst so lange, bis der immer weitere Weg zum Feld ebenso viel Energie ver­braucht, wie Energie ein­gespart wird durch die Kürze der Wege im Dorf sel­ber; ein Regelkreis begrenzt die Dorfgröße. Das Ergebnis ist ein Drei­eck-Wabenmu­ster von Dör­fern, das sich über das Land spannt - enger und kleiner in hügeligem, schwerer weg­samem Gebiet, weit­maschiger und größer in einer Ebene, in der man mühe­lo­ser gehen und fahren kann.

 

Konkurrenz der Kultur mit der Natur

Ein klein wenig wärmer ist es im Dorf als draußen: Die Wärme der Vermo­de­rung wird nicht auf dem Feld, son­dern im Haus, im Stall oder auf dem Mist­haufen frei. Da­für ist das freie, abge­erntete Feld ein wenig kälter als der Wald, der von Natur aus dort wachsen würde. Eine Infra­rotaufnahme aus großer Entfernung macht die Unter­schiede der Wärmeab­strahlung sichtbar. Das kleine Mehr an Wär­me, das die Wärme­punkte der Dörfer schließlich als Ab­wärme in den Welt­raum abstrah­len, das ent­spricht der Energie der dörflich-bäu­erlichen Kul­tur.

 

Arbeitsteilung

zur Ener­gie-Einsparung ...

 

Im Dorf wird entdeckt, daß einer eine Verrich­tung besser kann als die ande­ren. Die an­deren Dorfbe­woh­ner lassen sie sich von ihm besor­gen, entschä­digen ihn dafür ursprünglich mit Getreide. Dieses Ge­treide ist für sie weni­ger Energie­verlust, als wenn sie die Ver­richtung selber mit ge­ringerem Wirkungsgrad ma­chen müß­ten. Die Ar­beitsteilung ist ent­stan­den. Auch ein Handwerksbe­trieb ist eine selbstver­stärkende Ein­heit; er wird solange wachsen, bis er Grenzen an seinen Kon­kurrenten findet; neue Muster ent­stehen aus der Konkur­renz der Han­dwerker oder Händ­ler in den Dörfern.

 

... erzeugt Handel und Verkehr.

 

Ähnlich wie die Vorteile der Arbeits­teilung in einem Dorf werden die Vorteile der Arbeitstei­lung zwischen ver­schie­denen Dörfern ent­deckt; ein Dorf am Fluß hat Fischer und die brin­gen ihre Fi­sche auf den Markt; sie werden auch in Dörfer verkauft, die nicht am Fluß liegen. Der Kauf und Transport von Gü­tern und das Aufsuchen von spe­ziel­len Dienst­leistungen brauchen we­niger Ener­gie als die un­vollkom­mene Herstel­lung oder der unvoll­komme­ne an­derweitige Behelf im Dorf selbst. Schon in grauer Vor­zeit wur­den Salz, Gewür­ze, Metalle und andere wertvolle Güter über weite Wege transpor­tiert; Handel und Ver­kehr entstanden.

 

Netz der Dörfer über­lagert vom Netz der Städte

 

 

 

 

Ein Fluß, der Schiffahrt oder zumin­dest Flößerei er­laubt, ver­mindert die Reibung und damit den Energieaufwand für Verkehr und Trans­porte. An den Kno­tenpunkten der Ver­kehrs­ströme, an der Ver­zweigung von Tälern, etwa bei Ulm, Re­gensburg oder Pas­sau, haben die Sied­lun­gen grö­ßere Chance, zu wachsen, als an Stellen ohne Ein­mündung von Tälern. Wo stär­kere Energieströme sich stauen, da sind die Chancen für selbstver­stärkende Sy­steme be­sonders gut; hier kön­nen viele ein Fädlein für sich selbst abzwei­gen; die Städte entste­hen. Auf den Land­zun­gen zwi­schen Flüssen, wie etwa in Passau, sind außerdem die Möglichkeiten für die Ver­teidigung gün­stiger, der Ar­beits- und Ener­gieauf­wand hierfür ge­ringer als an anderen Stellen. Die beengte Lage auf der Land­zunge - oft noch ver­stärkt durch eine mög­lichst kurze Stadt­mauer, drängt die Häuser zu­sam­men, bremst die Ausbreitungstendenz der Städte.

 

Hierarchien sparen

Ener­gie.

 

Die Notwen­digkeit, im Konkurrenz­feld Energie zu spa­ren, führt ohne Planung zu >Hierarchien im Raum, etwa zur Hierar­chie der Zen­tren - Dorf, Markt, Stadt - ähn­lich wie zur Hier­archie der Wasser­läufe - Bach, Fluß, Strom. Dem kürzesten Weg zum Meer entspricht der kürze­ste Weg zum Markt ... Auch Märkte und Städte ste­hen miteinander in Kon­kur­renz um die Ener­gie- und Gü­ter­ströme; in geord­neten Mustern, dem Dreiecks-Wa­ben­netz der Zentren, ver­teilen sie sich mit ih­ren Einzugs­bereichen über das Land, in ähn­licher Weise wie im klei­neren Maßstab die Dörfer.

 

Stadtbürger über ihre

Arbeit an die Stoff- und Energieströme ange­-

schlossen

 

Die Sonne scheint aufs Land; ihre Energie wan­dert in Form von Brot über die Märkte auf den Tisch der Bür­ger in den Städten. Diese haben oft keine unmit­telbare Verbindung zum Acker; ihr "Acker", über den sie die le­bens­notwendigen Ener­gieströme bezie­hen, ist der Ar­beits­platz. Und um den müssen sie sich in ge­genseitiger Konkurrenz bemühen, ähn­lich wie die Bauern­fa­mi­lien durch ihre Ar­beit auf den Ä­ckern um die Ernte. Über das verdiente Geld gewin­nen die Fa­mi­lien der Stadt­bür­ger den Zu­gang zum Markt mit seinen Stoff- und Energie­strö­men.

 

 

 Notwendige Repräsenta­tion der Familien ...

 

Die Haupt­straße in ei­nem der Städtchen: Giebel an Giebel. Jeder Zentimeter an der Haupt­straße bedeu­tet Repräsen­tation, Wer­bung, Geldum­satz, be­deu­tet Ener­gie­ströme, die man für sich ab­zweigen kann, bedeu­tet Chancen für die eige­nen Kinder, das eigene geneti­sche Programm. Die Familien wer­ben für sich, zeigen ihre Macht, zeigen den Luxus, den sie sich gerade noch leisten kön­nen - und können in Wirklichkeit auf den "Lu­xus" so wenig verzich­ten wie der Pfau auf seinen Schweif.

 

... in der Baukultur, ...

 

 

 

Gebäudede­tails haben nicht nur ihre Funktion als techni­sche Elemen­te; sie er­scheinen auch als Aus­druck und Sym­bol, ähnlich wie Auge und Mund im menschli­chen Gesicht. Fenster, Er­ker, Giebel, alte Bäu­me können Sym­bole sein. Vermutlich gelten für die Symbole der Werbung und Repräsen­tation ähn­liche Regeln von Selbst­verstärkung und Muster­bildung wie für die gro­ben Muster in der Land­schaft - nur viel­fach in­einanderge­schachtelt und mitein­ander ver­flochten. Die Symbole müs­sen im Modell nachgeformt werden in vielen Köp­fen, in den DNS- und Pro­tein­struktu­ren vieler Gehirne. Auch das braucht ord­nende Energie; auch hier ent­ste­hen Selbst­verstär­kungen und Konkur­ren­zen, auch hier hat die jeweils ökonomi­schere Variante Vor­teile bei der Selbst­ver­stärkung. Selbst die Postkarten, diese klei­nen, flachen Abklatsche der Gebäu­de­schönheit für Touristen wirken als Werbung: Komm wieder, laß Geld hier, wirb weiter für uns...

 

... aber auch der

staatlichen Gebilde ...

 

Auch größere Einheiten, die Staaten, können nicht auf Werbung und Repräsen­tation ver­zich­ten. Bau­werke wie die Walhalla bei Regensburg wirken nicht nur nach au­ßen werbend und imponie­rend, sondern sollen auch nach innen die Identifi­kation der Bürger mit ihrem Staat festi­gen - als ein Teil der Selbst­verstärkung dieses Groß­systems.

 

... und Klöster.

 

Und die Klö­ster? - Da gibt es doch keine geneti­sche Selbst­ver­stär­kung; wo sind denn da die "auto­katalyti­schen Chemikalien"? Die unverhei­rateten Leute - in den Gleichge­wichtszeiten des Mittel­alters soll es, ähnlich wie heute, etwa die Hälfte der Bevölke­rung gewesen sein -­ lebten oft entwe­der in Symbiose mit den (Groß-)Fami­lien oder in Sym­biose mit ihres­glei­chen in den Klö­stern. An die Stelle der un­mittelbaren genetischen Tradition tritt hier die kulturel­le Tradition; an die Stelle der selbst­verstär­kenden Gene treten selbstver­stärkende Denk-, Sprech- und Ver­hal­tens­mu­ster (">Meme"), etwa die Ordens­regeln, in Symbiose mit (gene­tisch veranker­ten) Antrieben in Richtung Si­cher­heit und Gleichge­wicht. Als selbstver­stärkende Einheiten waren die klösterlichen Systeme nicht weni­ger er­folgreich als die Fa­milien; Klöster wie in Obermarch­tal oder Ne­resheim zei­gen das. Ohne die Symbiose mit den Fa­milien, also ohne daß im­mer wieder Zu­gang aus den Familien in die Klö­ster gekom­men wäre, wären allerdings auch die Klö­ster ausge­stor­ben. Das heißt, die Klöster waren auf die bäuerlich-handwerklichen Familien angewiesen.

 

Einseitige Ausbeutung wird auf Dauer oft zu wech­selseitiger Sym­bio­se.

 

Aber haben sich die Klö­ster nicht durch Ausbeu­tung des um­ge­benden Lan­des ernährt, in Verqui­ckung von geistli­cher und weltli­cher Macht, als Blutsau­ger und Schmarot­zer? Wa­ren die Bauern dem Kloster nicht tribut­pflich­tig? Wie vie­le Zentner Getreide, wie viele Stunden Sonnen­licht, schmorend über den Fel­dern, ist einge­flos­sen in die Klö­ster, ist umgesetzt worden in Arbeit, in die Erhal­tung und den Auf­bau der mate­riel­len Ord­nung, schließlich in Stuck und Vergol­dung, Intarsie und Brokat - Wer­bung und Re­präsentation für ein Kol­lektiv! Doch: wenn es nur Ausbeutung gewesen wäre, dann hätten die Klöster auf Dauer ihren Nähr­boden und damit sich selbst zer­stört.  Wenn das nicht der Fall war, muß es eine ambiva­lente Symbio­se gewesen sein. Als Kul­tur­träger boten die Klöster dem umlie­genden Land mit den bäuer­lich-hand­werkli­chen Familien wohl auch mannigfa­che Vor­teile - infor­mierten, ordne­ten, schlichte­ten. Insge­samt werden sich die gegen­sei­tigen Vor- und Nachteile auf Dauer eini­ger­maßen die Waage ge­halten ha­ben - wie bei jeder Sym­­bio­se.

 

Steuernde Energieströ­me ...

 

 

 

Ähnlich wie die Pflanzen einen Teil des Energie­stroms der Sonne um­steu­ern in ihre chemi­schen Energiespei­cher, ähnlich wie die Tiere die in den Pflanzen ge­spei­cherte Energie um­steuern in ihre Muskeln - die wiederum dazu verwendet werden, wir­kungsvoll Pflan­zen ab­zugra­sen, ähnlich, wie der Schleu­senwärter durch seine Muskel­kraft über Kurbel und Zahn­stan­ge einen gan­zen Bach auf­stauen und umleiten kann, so gibt es in den Dörfern und Städten Sy­steme, die durch ver­gleichsweise winzige steu­ernde Ener­gieströme die großen Ener­gieströ­me in der Land­schaft umlen­ken. Damit zwingen sie diese Energie­strö­me, ihre eigene Selbstver­stärkung zu unter­stüt­zen. Ein Fürst­bi­schof schreibt ein Dekret, und die Sitt­lich­keit im Bis­tum wird schärfer über­wacht. Die Sünder wer­den zu Strafarbeit ver­urteilt; so werden die Straßen repa­riert; Ver­kehrs­ströme und Handel können besser fließen; die Tribute kön­nen stei­gen und der Fürstbischof nährt seine Macht. Bau­ern-, Bür­ger- und Adels­fa­milien, Klö­ster und staatliche Gebilde sind solche selbstver­stärkenden Ein­heiten in der Land­schaft, die über Jahre und Jahrhun­derte hin­weg Informa­tion, Orga­nisation, Energie, Reichtum an­sammeln. Kom­plexe Gleich­gewich­te spielen sich ein zwi­schen sich gegen­seitig aus­beutenden und gleichzeitig gegen äuße­re Feinde zusam­men­arbeiten­den Ständen. Allerdings: Die Sym­bio­sen werden sich kaum sehr weit entfernt ha­ben von dem Punkt, an dem der jeweils Ausge­beutete nicht mehr viel zu ver­lieren hatte und deshalb den Ausbeuter allenfalls mit der Ge­fahr seines Wegster­bens und damit dem Ende der Sym­biose erpres­sen konnte...

 

... im Brenn­punkt ge­schichtlichen Inter­esses

Bisherige Geschichts­wissenschaft kümmerte sich vor­wiegend um die steuern­den Energie­strö­me und um die Um­schalt­prozesse in diesen Ener­gieströmen: Schlachten, Dekrete, Ver­träge, Erb­folge und Für­sten­hei­rat. So etwas sind vergleichs­weise winzige Energieumset­zungen in der Land­schaft, die mit dem höchsten Wir­kungsgrad viel größere En­er­gie- und Stoffströ­me um­leiten. Aber ohne das Wis­sen über die Strö­me, die da umge­leitet wer­den, hat auch das Wissen über Steu­e­rungsprozesse wenig Vorher­sage­kraft. Wenn die Energie­basis in der Land­schaft - das auf einer be­stimmten tech­nischen Stufe land­bau­lich ge­nutzte Son­nen­licht - immer gleich bleibt, braucht man diese Basis nicht besonders zu be­obachten. Wenn aber zu­sätzliche En­er­gien, etwa über Kohle, Erdöl, Sonnenkol­lektoren er­schlos­sen werden oder der Wirkungs­grad der En­ergie-Aus­beu­te durch technische Fortschritte gestei­gert wird, dann wird sozusa­gen die "Grund­platte des Sandka­stens" ange­kippt und alles läuft ganz anders ab. In einem solchen Fall müß­te die Geschichts­wissen­schaft diese "Grund­plat­te" durchaus im Auge behal­ten.

 

Schub fossiler Energie kippt die "Grundplatte des Sandkastens"

 

Die Sonne schien aufs Land - vor vielen Jahr­mil­lio­nen - und ernährte große Sumpf­wälder; die Blätter und Stäm­me urtüm­licher Farn­bäume fielen ins Wasser und konn­ten nicht verrotten; das tote, aber energie­haltige orga­nische Ma­te­rial sammelte sich an; schließ­lich wurde es von Schlamm und Ge­stein über­deckt, geriet unter die Erd­ober­flä­che; starker Druck formte es in Kohle um. Heute erst liegen Programme vor, die Energien der Kohle zu nut­zen; sie wird abgebaut und dient den Maschi­nen zur Nahrung. Erst diese neuar­tigen selbst­verstärkenden Gebilde kön­nen die Ener­gien verwer­ten, um die einst die abfallverwer­tenden Lebe­wesen ge­prellt wur­den.

 

Konkurrenz ist auch in der technischen Welt am Werk.

 

Heute hat das System, das am schnellsten nach >fos­silen Energien und anderen neuen Energien greift, Kon­kurrenz­vorteile; kaum ein System kann es sich leisten, darauf zu verzichten. Fossil­ener­gie-genährte Technik, mit Bau­werken, Ver­kehrs­net­zen und Ma­schi­nen, setzt heute ein Vielfaches an Energie um, als in agrarisch bestimm­ter Zeit umge­setzt wurde; die fei­ne­ren alten Muster wer­den durch gröbere er­setzt. Auch bei den Mustern der techni­schen Welt, den Netzen der Autobahnen, Kanäle, Hoch­spannungsleitungen, den Kraftwerken, Tank­stellen, Flug­häfen, müß­ten ähnliche Regeln von Selbstverstär­kung und Musterbildung gelten wie in der Natur und der agrarisch bestimmten Land­schaft. Weil der Strom der technisch verfügbaren Energien nach wie vor wächst, die Energie­basis in der Landschaft deshalb nach wie vor nicht stabil ist, sind die Mu­ster in der heu­tigen Landschaft noch unaus­gegoren, unreif, grob und häßlich. As­phalt ersetzt Pfla­ster; Beton ersetzt Fachwerk; Kunst­stoffe erset­zen Holz und Korbge­flecht. Die neuen Verfah­ren ha­ben längst noch keine so lange Tradition wie die alten Handwerke. Wenn es in Gleichge­wichts­zeiten vor allem ums Sparen geht, so geht es in Wachs­tums­zeiten vor allem ums Wachsen. Wer schneller wach­sen und wuchern kann, überlebt; wer nicht mit­wächst, macht bank­rott.

 

Entscheidend für ein Ausreifen der Strukturen ist ein gleichmäßiger Energiestrom.

 

Erst wenn das Energie­wachstum zu einer re­lativen Ruhe kommt, kön­nen die Muster aus­reifen. Dann müßten sich Feinheit und Schönheit auf höherer Ener­giestufe ein­stellen. Im­mer schmalere Nischen werden dann besetzt; neuartige Verknüpfungen werden mög­lich; neue Gleichge­wichte stellen sich ein. Aber: Wenn in absehba­rer Zeit die immensen Energiefluten der Sonne im außerirdi­schen Raum erschlos­sen werden, dann kann sich ein neues relatives Gleich­ge­wicht nicht mehr auf der Erde allein bilden, sondern nur mehr im ge­samten Sonnensy­stem ...

 

 

 

 

 

 

Literaturhinweise

 

 

 

Atkins, P. W.: Wärme und Bewegung.

Die Welt zwischen Ord­nung und Cha­os.

Heidel­berg: Spektrum der Wis­sen­schaft 1986

 

 

 

Eigen, M. Winkler, R.: Das Spiel.

München, Zürich: Piper 1975

 

 

 

Hass, H.; Lange-Prol­lius, H.:

Die Schöp­fung geht weiter.

Stuttgart-De­gerloch: Seewald 1978

 

 

 

Tomášek, W.: Die Stadt als Ökosy­stem.

Landschaft + Stadt 11, 1979, S. 51-60

 

 

 

Tomášek, W.: Technische Evolution und räumliche Ord­nung.

Stadtbauwelt 67, 1980, S. 301-306

 

 

 

Wickler, W.; Seibt, W.: Das Prinzip Ei­gen­nutz.

Ham­burg: Hoffmann & Campe 1977.

 

 

 

 

 

 

Begriffe - wie sie hier verwendet werden

 

 

 

Autokatalyse = Selbstver­stärkung, z.B. des Feu­ers durch die selbst erzeugte Hitze

 

Axiom = allgemeine Grundannahme, von de­r eine Wissenschaft ausgeht

 

dynamisches Gleichge­wicht = ein in ge­wissen Grenzen (z.B. abgesehen von geringen Schwan­kungen) gleichbleibender Zustand eines >dynamischen Systems. Beispiele: Ein rund laufender Motor, ein Wasserfall, ein gleichmäßig fliegen­der Vogel.

 

dynamisches System = >System mit Ver­änderun­gen in der Zeit

 

Energie = Fähigkeit eines dy­nami­schen Sy­stems, Arbeit zu leisten. Einer der Grundbegriffe der Phy­sik

 

Erdhülle = (in geographi­scher Sicht) Ku­gel­scha­lenschicht um die Erde zwischen glut­flüssigem Erdinneren und Weltraum, mit Gestein, Boden, Ge­wässern, Lufthülle, Lebe­wesen und technisch-kulturellen Sy­stemen. Wird in >Landschaften unter­glie­dert.

 

Erosion = Abtragung von Boden oder Gestein durch Wasser oder Wind

 

Evolution = Entwick­lung, insbesondere Entwicklung der energieumsetzenden (bzw. leben­den) >Systeme auf der Erde in gegen­seitiger Beeinflussung und unter Verände­rung der inneren Struktur

 

fossile Energie = In Torf, Kohle, Erdöl und Erdgas ge­speicherte >En­ergie - stammt aus ab­gestorbenen Pflanzen frü­herer Erdzeitalter.

 

Gen = Einheit der bio­logischen Erbsub­stanz, ein Abschnitt auf dem Kettenmole­kül DNS.

 

Gleichgewicht = Zustand eines Systems, das sich - in gewissen Grenzen - in der Zeit nicht ändert. Ein statisches Gleich­ge­wicht kann ohne Ener­gieumsatz erhalten wer­den, ein >dynamisches Gleichgewicht nur mit Energieumsatz.

 

Hierarchie = eine Anord­nung von Elemen­ten, so daß ihnen verschiedener Rang zugeordnet werden kann, etwa wie Stamm, Äste, Zweige eines Bau­mes. Ge­gensatz z.B. kreis- oder rasterförmige, auch zufällige An­ord­nung.

 

Kohlehydrat = energiehal­tige chemische Verbin­dung aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasser­stoff; Nahrungs-Grund­stoff

 

Konkurrenz = das Beanspruchen der glei­chen >Ressource durch zwei oder mehre­re lebende Systeme.

 

Landschaft = ein Aus­schnitt aus der >Erd­hülle mit allen >Landschafts­elementen

 

Landschaftselement = Bestandteil der >Land­schaft, zu­sammengefaßt u.a. in Ge­stein, Boden, Gewässer, Luft­hülle, Le­be­wesen, technische Gebilde

 

(Fluß-)Mäander = Fluß­windung

 

Mem = gedachte Grund­einheit kultureller und technischer Infor­mation, ent­sprechend dem >Gen

 

Ökologie = Wissen­schaft von den Wech­selwir­kungen, insbe­sondere dem Stoff- und Energieaustausch le­bender, allgemein energieumsetzender >Systeme mit ihrer >Umwelt, verall­gemeinert Wissen­schaft von den >Ökosystemen

 

Ökophysik = Anwendung physikalischer Vorstellun­gen auf Fragestellungen der >Ökologie

 

Ökosystem = Wirkungs­gefüge aus Lebe­wesen, unbelebten natürlichen sowie ggf. auch techni­schen Bestandteilen, die unterein­ander und mit ihrer >Umwelt in Wech­sel­wir­kung stehen, ins­besondere >Energie und Stoffe austau­schen.

 

Regelkreis = Grundsche­ma einer negativen >Rückkopplung. Das >Verhalten eines >dyna­mi­schen Systems verän­dert die >Umwelt in der Weise, daß sie gegen­sinnig, also bremsend auf das Verhalten zurück­wirkt. Grundbedingung für >dynami­sches Gleichge­wicht. Gegenteil: Wachs­tumskreis oder "Teufels­kreis", durch eine positi­ve Rückkopplung verur­sacht.

 

Ressourcen = Energie, Rohstoffe, Boden und andere Grundlagen für die Existenz eines leben­den Systems, insbeson­dere menschlicher Gesellschaften.

 

Rückkopplung = Beein­flussung des >Ver­haltens eines >dynamischen Sy­stems oder >Elements durch die Auswirkungen dieses Verhaltens auf seine >Umwelt. Kann zur Verstärkung dieses Ver­haltens führen (positive Rückkopplung) oder zur Brem­sung (negative Rückkopplung).

 

Stoffkreislauf = (dynami­scher) Gleichge­wichts­zustand von Stoffströmen in einem >Ökosystem

 

Symbiose = Zusammen­wirken zwischen zwei oder mehreren lebenden, allgemein energie­umsetzender >Systemen zu gegenseitigem Vor­teil - meist als ge­gen­seitiger Austausch von Stoffen und Ener­gien dar­stellbar.

 

Synergetik = Lehre vom Aufbau komplexer Ord­nung aus dem zu­nächst cha­o­­­ti­schen Zusammen­wir­ken vieler Einzel­ele­mente

 

System = Gesamtheit von Elementen, die unterein­ander, bei offenen Sy­stemen auch mit ihrer >Umwelt, in Beziehung stehen.

 

Thermodynamik = Wärme­lehre, heute z.T. auch ver­all­gemei­nert auf alle Anwendun­gen des >En­tropie­satzes.

 

Umwelt = Im allgemei­nen Sinn. Ge­samt­heit aller Systeme, die mit ei­nem bestimm­ten Sy­stem in Beziehung ste­hen. Im engeren Sinn = die Ge­samt­heit der natürlichen Systeme, die mit der mensch­li­chen Zivilisa­tion in Beziehung stehen, also Ge­stein und Boden, Gewässer, Luft­hül­le, Pflan­zen- und Tier­welt.