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Qualifizierte
Pforte |
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Zur baulichen Gestaltung der
Kontaktzone zwischen Behörde und Bürger |
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Bürgertext |
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Stand 1.9.2001 (1994) |
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1. Ein
Erlebnis am Eingang des Deutschen Patentamtes
2.
Deutung vor dem Gebot der Achtung der Menschenwürde
3. Gegenargument:
Sicherheitsvorsorge
4.
Konzept: "Qualifizierte Pforte"
7.
Verankerung in der Verwaltung
8.
Gegenargument: Das Konzept könnte übertrieben sein
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1. Ein Erlebnis am Eingang des Deutschen Patentamtes |
Deutsches Patentamt: Ausweiskontrolle vor jeglicher Kommunikation mit der Behörde |
Im Deutschen Patent- und
Markenamt in München erhielt (1994) kein Besucher überhaupt Zutritt, der sich
nicht auswies. Der Zugang endete in einem Windfang neben der Glaskabine des
Pförtners; dieser öffnete die innere Tür erst nach der Registrierung des Besuchers.
Auch wer nur das Anliegen vorbrachte, sich allgemeine Merkblätter besorgen
zu wollen, der mußte seinen Personalausweis zücken. Der Pförtner hatte
keine solchen Merkblätter zur Verfügung und konnte auch keine allgemeine
Information geben. Die schon durch die bauliche
und organisatorische Eingangsgestaltung unausweichliche Nötigung zur Ausweisung
des Besuchers ohne die Möglichkeit irgendeiner Kommunikation mit der Behörde
empfand ich als derart demütigend, daß ich unter Verzicht auf das
Mitspielen umkehrte und seitdem eine weitmöglichst schriftliche Kommunikation
mit dieser Behörde vorzog. Vor kurzem habe ich festgestellt, daß es auch jetzt
Merkblätter erst hinter der Ausweisregistrierung gibt. |
2. Deutung der Situation vor dem Gebot der Achtung
der Menschenwürde |
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Unschuldsvermutung wird auf den Kopf gestellt. |
Warum aber habe ich die Situation
als demütigend empfunden? - Ich glaube, weil damit die im Rechtsstaat
zentrale Unschuldsvermutung auf den Kopf gestellt wird, das heißt, weil
einem Bürger, der sich an das Deutsche Patent- und Markenamt wendet, und sei
es nur mit dem Wunsch nach Merkblatt-Information, zunächst einmal pauschal
Qualitäten eines Verbrechers unterstellt werden, denen man mit vorbeugender
Ausweiskontrolle und Registrierung begegnet. Durch die Nötigung zu
dieser Ausweisung mit grundsätzlicher "Schuldvermutung" wird
darüber hinaus jeder Besucher, egal was sein Anliegen ist, zum Untertan gemacht;
er bekommt die Macht des Apparates demonstriert, und zwar, bevor er überhaupt
den Mund vor jemand anderem aufmachen darf als vor einem Pförtner, der auf
nichts anderes als nur auf den Formalismus des Ausweiszwanges verpflichtet
ist. |
Verletzung der Menschenwürde |
Dies empfinde ich als
elementare Verletzung der Menschenwürde, also von Artikel 1(1) des Grundgesetzes.
Gemäß Artikel 1(3) sind die Grundrechte aber unmittelbar geltendes Recht für
alle drei Gewalten, wären also auch bei der Ausgestaltung von Sicherungsvorkehrungen
und Eingangssituation in einer Behörde bzw. hoheitlicher Einrichtung wie dem
Deutschen Patent- und Markenamt zu beachten. |
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Sicherheitsaspekte sind zu respektieren Hochsicherheitsbereiche können nie eine Einrichtung vollständig bestreichen. |
Selbstverständlich kann die
Leitung einer Einrichtung wie des Deutschen Patentamtes auf die Sicherheitsaspekte,
insbesondere auf die Gefahr von Anschlägen durch Patentpiraten oder gar
Terroristen verweisen, die eine Ausweiskontrolle und Registrierung der
Besucher notwendig mache. Solche Gefahren möchte ich nicht leugnen.
Ohne Zweifel gibt es in einer Behörde wie dem Deutschen Patent- und
Markenamt Bereiche, die einen hohen Grad der Sicherung erfordern - wie in
vielen anderen Behörden und Einrichtungen auch. Ich möchte hier auch nicht
darüber diskutieren, ob die Ausweiskontrolle von Besuchern eine wirkungsvolle
Sicherung gegen solche Anschläge darstellt; ich unterstelle dies hier
einfach und beschränke mich auf die meines Erachtens wesentliche Aussage,
daß eine Behörde oder Einrichtung wie das Deutsche Patentamt zwar einen
hohen bis sehr hohen Anteil an Bereichen besitzen kann, die hohe bis höchste
Anforderungen an Sicherungsvorkehrungen stellen, jedoch diese "Hochsicherheitsbereiche"
nie hundert Prozent der Behörde bzw. Einrichtung ausmachen können. Eine
Pforte beispielsweise, bei der einführende Merkblätter oder die Publikationen
des Hauses erhältlich sind, kann nicht zu diesen Hochsicherheitsbereichen
gehören, denn eine Veröffentlichung kann kein Geheimnis sein, das es durch Sicherheitsvorkehrungen
zu schützen gilt. Diese Überlegung führt zu einem konstruktivem Konzept: |
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"Qualifizierte Pforte" als
"Synapse" zwischen Behörde und Bürger |
Wenn der Bürger, der eine
Einrichtung wie das Deutsche Patentamt aufsucht, in seiner Menschenwürde
respektiert werden soll, indem ihm gegenüber zunächst die Unschuldsvermutung
gewahrt wird, dann müßte jede solche Einrichtung bzw. Behörde (um die
Gewaltenteilung auch in der Bezeichnung auszudrücken, nenne ich ein Gericht
keine Behörde; meine Überlegungen würden aber auch für ein Gericht gelten
können) einen zumindest kleinen, also auf keinen Fall verschwindenden
Bereich haben, der als "qualifizierte Pforte" anzusprechen ist.
Dies ist auch der Platz, wo der Bürger weitergehende Sicherheitsvorkehrungen,
die in seine Freiheitsrechte eingreifen (Ausweispflicht) erläutert bekommt,
und zwar so, daß ihm die Freiheit der Wahl, mitzuspielen oder eben unter
Verzicht auf weiteren Zugang auszusteigen, erhalten bleibt, und ihm nicht
unterschiedslos unterstellt wird, er habe sich wie ein Untertan zu fügen,
ohne überhaupt den Mund aufmachen oder eine qualifizierte Auskunft über
die Notwendigkeit von sicherheitsbedingten Eingriffen in seine Freiheitsrechte
erhalten zu können. Selbstverständlich kann diese
"qualifizierte Pforte" auch relativ groß sein, etwa Informationsstände,
Kataloge, Ausstellungen, Handbüchereien, Cafeteria, Toiletten usw. umfassen -
sicherlich auch bei manchen Einrichtungen, etwa Museen, den größten Teil des
Ganzen. |
Vergleich: Respektierung der Persönlichkeits- rechte eines Patienten durch den Arzt |
Eine solche
"qualifizierte Pforte" entspricht - auf anderem Gebiet - den
Erläuterungen, die ein Arzt zu geben hat, und den Fragen, die ein Arzt zu
stellen hat, bevor er etwa einen Patienten bittet, sich zu entkleiden, ihm
dieses oder jenes Medikament nahelegt, eine Operation empfiehlt oder dergleichen.
Ein Arzt, der etwa einen bettlägrigen Patienten ohne Fragen und ohne Erläuterungen
entkleidet, ihm zwangsweise Medikamente verabreicht, ihn ohne zu fragen
operiert, würde sich schwerer Verletzungen der Persönlichkeitsrechte seines
Patienten schuldig machen. Ähnlich muß meines Erachtens das Fehlen einer
"qualifizierten Pforte" bei einer von der Gesamtheit der Bürger
getragenen demokratischen Behörde oder Einrichtung als Verstoß gegen die
Menschenwürde des kontaktaufnehmenden Bürgers und damit gegen Artikel 1(1)
des Grundgesetzes betrachtet werden. |
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"Qualifizierte Pforten" gibt es schon allenthalben. Sie wirken positiv auf den Bürger. |
Daß die Vorstellung einer
"qualifizierten Pforte" durchaus praktikabel ist, zeigen Beispiele,
bei denen so etwas schon längst Praxis ist, auch wenn sie vielleicht
nicht so heißen. Ich denke etwa an Einrichtungen wie die Staatsbibliotheken.
Selbstverständlich gibt es auch hier "Sicherheitsbereiche" -
etwa die Bücherdepots - und "Hochsicherheitsbereiche", etwa die
Sammlungen kostbarer Handschriften. Es gibt aber auch Bereiche, die allgemein
zugänglich sind, etwa der Katalog. Ähnliches gilt für Gerichte, deren Verhandlungen
ohnehin grundsätzlich öffentlich sind. Deshalb wirken derartige Einrichtungen
immer auch einladend, positiv auf den Bürger; sie signalisieren dem Bürger
schon in der baulichen und organisatorischen Grundstruktur, daß sie kein
Selbstzweck, sondern letztlich für den Bürger sind. Ein solcher in seiner
Menschenwürde geachteter Bürger wird - ggf. durch Merkblätter dabei
unterstützt - gerne bereit sein, sich um Einsicht in die Gesichtspunkte für
Sicherheitsvorkehrungen in Bereichen höheren Sicherungsgrades zu
bemühen und sich freiwillig den dadurch notwendigen Spielregeln unterwerfen.
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Konzept "qualifizierte Pforte" ist auf
alle Behörden und öffentliche Einrichtungen verallgemeinerbar |
Ich meine, das Konzept einer
"qualifizierten Pforte" ist so allgemein, und nach meiner Einschätzung
eigentlich für eine Behörde und staatliche Einrichtung in einer Demokratie
unter Artikel 1(1) des Grundgesetzes so zwingend, daß eine Verallgemeinerung
möglich ist. Welcher Bereich wäre hier geeigneter, vorbildhaft zu wirken,
als der Bereich des Bundesministeriums der Justiz und der ihm nachgeordneten
Einrichtungen und Behörden? Könnte nicht so etwas wie eine "qualifizierte
Pforte" zum Grundkonzept für einen menschenwürdigen Umgang von
Behörden mit Bürgern werden? Oder gibt es ein solches Grundkonzept
vielleicht schon längst, nur unter einem anderen Namen? - Umso besser! - Ich
würde mich freuen, von einem solchen Grundkonzept zu erfahren. |
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Am Anfang steht winzige Weichenstellung |
Wie könnte man aber vorgehen,
um das Konzept einer "qualifizierten Pforte" oder ein vergleichbares
Konzept in der Verwaltung zu verankern? - Selbstverständlich lassen sich Eingangsbereiche
von Behörden kaum von heute auf morgen umwandeln. Ich glaube aber, am
Anfang könnte eine winzige Weichenstellung stehen zugunsten der
Menschenwürde des Bürgers - vielleicht zuerst einmal innerhalb eines
Ministeriums wie des Bundesministeriums der Justiz. |
Forschungsprojekt? |
Diese winzige Weichenstellung
könnte zum Beispiel zu einem erkundenden Forschungsprojekt führen,
das die "Synapsen" (Verbindungsglieder) zwischen Behörden und
Bürger unter den Gesichtspunkten von Menschenwürde und Sicherheit unter
die Lupe nimmt. Hieraus könnte eine behördeninterne Richtlinie entstehen,
und aus den Erfahrungen mit einer solchen Richtlinie vielleicht später
einmal ein Gesetz. |
Das Konzept könnte übertrieben sein |
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Kosten für Minimal- ausstattung einer "qualifizierten Pforte"
relativ gering; Gewinn durch Respektierung der Menschenwürde hoch |
Man könnte nun argumentieren,
eine Deutung von kommunikationsloser Ausweiskontrolle und Registrierung
von Bürgern, die den Kontakt mit einer Behörde suchen, als Verletzung der Menschenwürde -
eine solche Sensibilität sei doch ein bißchen hypertroph. Man könne doch
nicht auf Leute Rücksicht nehmen, die sich durch eine solche Behandlung
gleich derart empfindlich in ihrer Menschenwürde tangiert fühlen; die
Sicherheitsgesichtspunkte gingen auf jeden Fall vor. Eine solche Argumentation
erscheint mir aber in der Abwägung der Werte Sicherheit und Menschenwürde
nicht korrekt zu sein, zumal bei einer solchen Argumentation die Geringfügigkeit
des Aufwandes für eine Rücksichtnahme nicht berücksichtigt wird. Eine
"qualifizierte Pforte" könnte im Extremfall, also zum Beispiel bei
einer Behörde wie einem Landeskriminalamt winzig sein - ein freundlicher,
hinreichend qualifizierter Pförtner, der dem Besucher allgemeine
Information über die Behörde, etwa Merkblätter und Wegweiser reichen kann und
gleichzeitig die Erläuterung dazu, warum praktisch ein großer Teil der
Behörde zum "Hochsicherheitsbereich" erklärt wurde - verbunden
mit der Bitte um Verständnis für die Spielregeln - Ausweiskontrolle usw. Der Aufwand für eine solche
Minimalausstattung einer "qualifizierten Pforte" ist vergleichsweise
derart gering, daß kaum Argumente übrigbleiben dürften für Behörden, die sich
in einer Demokratie weigern möchten, auch nur diese Ausstattung einzurichten.
So etwas könnte tatsächlich zur Mindestausstattung einer demokratischen
Behörde bzw. Einrichtung erklärt werden. Die Alternative wäre im Extrem eine
paranoide Trennung von Behörden und Bürgern mit dem Hinweis auf Sicherheitsaspekte
- die man letztlich immer und überall vorbringen könnte, denn totale
Sicherheit ist geradezu thermodynamisch unmöglich. Eine solche Trennung von
Behörde und Bürgern würde eigentlich die Demokratie auf den Kopf stellen -
denn wer zahlt denn für den Unterhalt jeder Behörde, wenn nicht der Bürger? |
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Fazit: Vorteile des Konzeptes der "qualifizierten
Pforte" überwiegen Nachteile |
Das heißt insgesamt: Das
Konzept der "qualifizierten Pforte" ist nicht übertrieben, nicht
übersensibel, nicht hypertroph. Die Rücksichtnahme auf die Sensibilität von
Bürgern gegenüber der Verletzung ihrer Menschenwürde durch "Schuldvermutung
vor Kommunikation" wäre gerechtfertigt, ja vor dem Hintergrund von
Artikel 1(1) des Grundgesetzes geboten. |
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