|
|
|
|
"Blut und Boden" in
grünen Berufen bearbeiten: |
|
Gespräch mit
den Toten |
|
|
Bürgertext |
|
5 |
|
Stand 21.8.2001 (1994) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Begriffe: Anklicken der im Haupttext
mit ">" markierten Begriffe führt zur Erläuterung. Nochmaliges
Anklicken des Begriffs bei der Erläuterung führt zurück zur Lesestelle. |
|
|
|
1. Braune Altlasten in grünen Berufen |
Diskussion um braune Gründerväter eines grünen
Berufsstandes ... |
Ausgangspunkt dieser
Überlegungen ist eine Diskussion in einer Fachzeitschrift um die Rolle von
Pionieren der Landschaftsplanung in der Nazizeit (vgl. Schmidt 1994). Diese
Diskussion findet statt in einer Zeit, da o das geltende Bundesvertriebenengesetz definiert: "Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes
ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern
dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung,
Kultur bestätigt wird ...", wobei gleichzeitig Artikel 3(3) des Grundgesetzes lautet: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,
seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,
seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt
werden."
o der Aussiedlerbeauftragte der
Bundesregierung deutschstämmige russische Staatsangehörige mit "Liebe
Landsleute" tituliert, o eine Ausstellung des "Deutschen historischen Museums",
Berlin, über "Deutsche im Osten" schon in der Graphik ihres
Plakates für eine Sammlungsbewegung der "zersplitterten"
deutschen Volksgruppen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks wirbt, o privatisierte Staatsmonopole mit nahezu faschistischer Ästhetik
für sich Reklame machen, o die Süddeutsche Zeitung im Feuilleton die "Schönheit der
Grausamkeit" feiert ... |
... könnte auf eine abstrakte Ebene gehoben werden. |
Eine kritische Auseinandersetzung
mit heute noch virulentem >braunen Gedankengut ist also sicher aktuell. Auf
solche Entwicklungen hinzuweisen und sich empört davon zu distanzieren
ist gut. Besser ist vielleicht die Frage nach den eigenen Interessen der
Vertreter von Wissenschaft, Planung und Politik - eigentlich schon Standardbestandteil
einer >Ideologie-Diskussion. Ich schlage vor, diese
Reflexionsschleife in Beziehung zu setzen erstens zur >Ökologie
- einer Disziplin, zu der "grüne" Berufsgruppen eine besonders
enge Beziehung haben müßten, - zweitens zu einer allgemeinen >Ethik.
Das Ergebnis der Überlegungen könnte auf die Diskussion geistiger
Altlasten aus der Nazizeit angewandt werden. |
2. Ungewohnte Perspektive: Ökosystem der Ideen
... |
|
Thermodynamik und Ökologie gelten auch in der geistigen Welt. |
Wenn die Umsetzung jedes Bits
Information einen kleinen, aber nie verschwindenden Betrag an Energie
erfordert, egal, ob in Gehirn, Genom oder Computerprogramm, dann unterliegen
auch Gedanken, Ideen, geistige Gebilde als energie-umsetzende >Systeme
den >Hauptsätzen der >Thermodynamik
- >Energie-Erhaltungssatz
und >Entropiesatz. Als
dynamische, in einem allgemeinen Sinn belebte Gebilde entwickeln sie sich
nach den Anwendungen dieser Hauptsätze in Biologie und Ökologie, den Darwinschen
>Evolutionsprinzipien,
nicht anders als die Lebewesen im engeren Sinn: Auffächerung von Möglichkeiten
durch >Mutation; Reduzierung durch >Selektion,
insgesamt >Diffusion im >Möglichkeitenraum. Bei hinreichender >Komplexität müßte man ähnliche Überlebens-
und Ausbreitungsstrategien bei geistigen Gebilden erwarten wie bei Lebewesen
(vgl. hierzu etwa Bateson 1985, Levy 1993). Man kann dann sagen,
daß Menschen mit geistigen Gebilden "in >Symbiose"
leben. |
Jeder Gedanke muß in seinem Konkurrenzfeld
energie-ökonomische Vorteile bieten. |
Aus einer solchen Sicht
entsteht die Anregung zu "geistiger >Ökosystemforschung":
Welche denkökonomischen, letztlich energie-ökonomischen Vorteile liegen in
">Blut
und Boden" und Verwandtem, so daß damals die Mehrzahl
aller Deutschen durch ihre Wahlentscheidung den >Nationalsozialismus
an die Macht brachte und heute wieder ein junger Trend bemerkenswert stark
nach rechts drückt? Die Erforschung der
Denk-Ökonomie braunen Gedankengutes würde nicht ohne weiteres Prognosen
über das Denken eines einzelnen Menschen möglich machen. Sie würde aber
eventuell global plausibel machen können, wie etwa die nationalsozialistische
Umwälzung in Deutschland zustandekam, wie es kommt, daß sich ähnlich >totalitäre
und führerorientierte Systeme immer wieder rings um den Globus erfolgreich
etablieren - und vielleicht, warum so viele Leute auch nach der Katastrophe
an ihrer "Blut- und Boden"-Gesinnung festgehalten haben. |
3.
... mit Folgerungen auf der ethischen Ebene |
|
Denk-Ökonomie mit Ethik in Auseinandersetzung
bringen? |
Wenn man - in Anlehnung an
Albert Schweitzer - etwa eine Ethik der Rücksicht auf lebende Gebilde vertritt
oder - >äquivalent
- eine Ethik der >Einvernehmlichkeit,
dann wären mit obiger Vorstellung vom Ökosystem der Ideen bei jeder
Auseinandersetzung um eine Ideologie ethische Kriterien anzuwenden, und zwar
zunächst unabhängig vom Inhalt, rein aufgrund der Annahme der
Lebendigkeit der geistigen Gebilde. |
Konzept: Gespräch mit den Toten ... |
Eine grüne Berufsgruppe
könnte sich in ein gedachtes Gespräch mit den Toten begeben und -
entlastet von den Begrenzungen der Lebenszeit einzelner Personen - die
geistige Auseinandersetzung mit ihnen suchen, sie sogar zur Auseinandersetzung
untereinander anregen. Ein solches Gespräch mit den Toten müßte allerdings
im Einklang mit der eigenen Ethik geführt oder vermittelt werden, also
etwa - vor dem Hintergrund des Grundgesetzes - mit Respekt vor der
Menschenwürde dieser Persönlichkeiten. Fiktive Gespräche mit Toten
könnten in nicht allzuferner Zukunft sehr erleichtert werden durch hochkomplexe
Computer-Programme, gespeist mit Informationen über historische
Persönlichkeiten (vgl. etwa Levy 1993, Moravec 1992). Ähnlich
wie heute ein Schauspieler sein Können einer Gestalt wie "Caesar",
"Faust" oder "Galilei", leihen kann, so könnte es dann
möglich sein, solche Programme mit den noch vorhandenen Informationen
etwa über braune Pioniere einer grünen Berufsgruppe zu speisen, und mit
diesen in Form komplexer Software-Modelle "wiederbelebten"
Persönlichkeiten zu diskutieren. |
... geführt mit Ehrfurcht vor dem Leben ... |
Wenn man den Respekt gegenüber
lebenden Gebilden zur ethischen Richtschnur macht, müßte man das Gespräch
sogar mit Respekt vor dem Leben der einzelnen Ideen führen. Das gilt
auch, wenn sie zunächst unverträglich mit unseren oder anderen ethischen
Haltungen, ja sogar mit sich selbst erscheinen. In einer allgemeinen Naturschutzethik
verdienen ja auch Krokodile, Giftschlangen, Blutegel und Läuse in ihrer
Art Respekt, auch wenn sie zweifellos abstoßende Seiten haben und sich
zumindest gegenüber ihren Beute- und Wirtstieren nicht an eine von diesen
akzeptable Ethik halten. |
... Übung auch für aktuelle Diskussionen? |
Das heißt im Fall der
Diskussion um die braunen Pioniere: Nicht nur mit ihren anerkannten fachlichen
bzw. künstlerischen Leistungen, sondern auch mit ihrem "braunen Gedankengut",
also ihren völkisch-imperialistischen Phantasien und sogar ihrer
Beschimpfung der Träger anderer Sprache und Kultur könnte die Auseinandersetzung
geführt werden! In einem solchen fiktiven Gespräch könnten sie da abgeholt
werden, wo sie damals oder auch später im Alter standen. Darüber hinaus
könnte das gedachte Gespräch mit den Toten, die Blut- und Boden-Denken gezeigt
haben, als Übung betrachtet werden für die Auseinandersetzung
mit dem neu-braunen Trend unter jungen Leuten. Erste Leitfrage in einem
solchen Gespräch könnte sein: |
3.1.
Was ist an "Blut und Boden" wahr? |
|
"Etwas Wahres wird dran sein": "Blut und Boden" rückt ökologische Realitäten
ins Bewußtsein |
Ich vermute, daß mit dieser
Frage einige Wahrheiten aufgedeckt werden können, die heute in weiten Bereichen
rot/grüner Gesinnung trotz ständiger Berufung auf Ökologie "verleugnet
und verdrängt" werden, nämlich daß zum Beispiel im Bezugsfeld
"Boden" o jedes lebende Wesen ein Stück Sonnenlicht-Auffangfläche als
Quelle für seine Nahrung benötigt, auch wenn die über andere Lebewesen vermittelt
ist, o die Sonnenlicht-Auffangfläche der Erde begrenzt ist, o alle lebenden Systeme zu Wachstum oder Vermehrung fähig und
bereit sind, o sie also zwangsläufig miteinander in Konkurrenz kommen müssen,
weshalb Selektion unvermeidlich ist, o zwischen lebenden Systeme einer Mindestkomplexität wiederholte
>physische
>Konflikte
mit Existenzrisiko wahrscheinlich sind, o immer wieder aggressive und expansive Systeme erfolgreich
ihre Nachbarn unterjochen, ausbeuten, verdrängen und ausrotten können, o eine Entfernung lebender Systeme vom Existenzrand zufällig und
glückhaft möglich, aber nicht auf lange Dauer stabil ist, und daß die hierzu denkbaren Alternativen,
nämlich energie-, wachstums- oder vermehrungsfreies Leben, unbegrenzt
wachsende Erde oder unbegrenzte Verfeinerung des Lebens, konkurrenzfreies
Wachstum, allseits friedliche Welt und ähnliches - kaum oder zumindest sehr
schwierig in inselhaften Bereichen zu verwirklichen sind, auch wenn sie so
wünschbar sein sollten wie Schlaraffenland und Perpetuum mobile. Im Bezugsfeld
"Blut" könnte die oft verdrängte Wahrheit etwa darin zu finden
sein, o daß unsere äußeren und inneren Eigenschaften, ja sogar unser
Lebensentwurf erstaunlich weitgehend durch unsere Erbanlagen bestimmt sind -
wie es die vergleichende Zwillingsforschung aufgedeckt hat, o daß Menschen und schon Tiere sich seit Urzeiten >genetisch
manipulieren, sich also selbst bezüchten - durch die sexuelle Selektion, o daß dies schon in wenigen Generationen meßbar die Eigenschaften
einer >Population verändern kann, o daß in länger bestehenden Populationen genetische und kulturelle
Selektion miteinander wechselwirken, und zwar schon bei Tieren, o daß solche Populationen deshalb genetisch-kulturelle
Besonderheiten entwickeln, die ihnen in der Ressourcenkonkurrenz Vorteile
verschaffen. "Blut und Boden" historischer
wie moderner Prägung hätte dann, wie angedeutet, eine durchaus plausible
ökologisch-evolutionäre Komponente. Gibt es dazu wissenschaftliche
Alternativen? Immerhin - in den USA werden solche Alternativen postuliert,
etwa mit der Berufung auf das Alte Testament. Es wird z.T. sogar das Verbot
der Evolutionstheorie an Schulen und Hochschulen gefordert. Wenn aber diese Alternativen
nicht attraktiv sind, dann wäre die Frage: Wie geht man mit solchen ökologisch-evolutionären
Modellen um? Deutet man sie zu ethisch-politischen Imperativen um, in
einem Schluß vom "Ist" auf das "Sollte"? Oder könnten
ethisch deprimierende wissenschaftliche Modelle zu einer Vertiefung von
Ethik führen, zu einer Teil-Emanzipation ethischen Wollens vom Erkennen
(vgl. etwa Schweitzer 1923)? Könnte politische Ethik sich damit der
Ethik eines Arztes annähern, der weiß, daß er in jedem Fall dem Tod unterliegen
wird und dennoch täglich aufs Neue gegen ihn antritt? Zweite Leitfrage für das
Gespräch mit den Toten könnte sein: |
3.2.
Was ist an "Blut und Boden" gut? |
|
"Es hat alles sein Gutes": |
Falls es gelingt, der
Ideologie von "Blut und Boden" eine plausible >kognitive
Komponente zuzugestehen, dann könnte es auch gelingen, ihr eine akzeptable >normative
bzw. ethische Komponente zuzugestehen. |
"Blut und Boden" vertritt echte Werte. |
Sie könnte in der Richtung "allgemeine
Brutpflege" liegen, auch wenn diese sich nicht auf alle Kinder der
Welt, sondern nur auf die eigenen bezieht. "Gesunde Kinder in gesunder
Landschaft" - das ist nicht gar so weit entfernt von den Motiven
heutiger ernährungs- und umweltbewußter Eltern. Es könnte auch sein, daß
das - unter anderem - von Vertretern von "Blut und Boden"
geforderte "ganzheitliche Denken", die Bemühung, "das
Ganze zu sehen" ein Punkt ist, an dem sie beim Wort genommen werden
könnten. Das Bemühen um das Ganze könnte auch als Chance betrachtet werden,
Verdrängungen aufzudecken und Widersprüche zu bearbeiten. Ähnlich könnte
eine Reihe von "ganzheitlichen" Wertbegriffen aus dem Bereich von
"Blut und Boden" wie "Gesundheit", "Familie",
"Volk", "Heimat", auf unter verschiedenartigen ethischen
>Prämissen
akzeptable normative Komponenten analysiert werden. Sie müßten nicht ohne
weiteres pauschal als "braun", "dumpf", "diffus",
"-tümelei", u.ä. verächtlich gemacht werden. Erst wenn beides gelungen
ist - "Blut und Boden" sowohl eine plausible kognitive Komponente
als auch eine akzeptable ethische Komponente zuzugestehen, könnte man im
Gespräch mit den Toten zur entscheidenden dritten Leitfrage kommen: |
3.3. Wo sitzen die Irrtümer und Widersprüche? Durch welche Lecks dringt Unmenschlichkeit ein? |
|
Einbruchstellen für Unmenschlichkeit: |
In der Auseinandersetzung
mit den Toten könnten - vor dem historischen Hintergrund von Terror,
Krieg und Völkermord, schließlich des Zusammenbruchs des Nazi-Regimes
durch Einwirkung aus dem Ausland - Antworten auch auf solche Fragen
gesucht werden. Ich selbst kann keine abschließenden Antworten geben,
vermute aber wesentliche Problempunkte in grundsätzlichen Denkfiguren
hinter "Blut und Boden". |
... Schluß vom Sein aufs Sollen, ... |
Ein Problempunkt dürfte im
schon erwähnten Schluß vom "Ist" auf das "Sollte"
liegen, also dem sogenannten ">naturalistischen
Fehlschluß". Wie aktuell die Diskussion dieser Denkfigur
auch heute ist, zeigt sich darin, daß sie nicht nur in "Blut und
Boden", sondern auch in einer Vielzahl angesehener und weitverbreiteter
Denkgebäude steckt, etwa in >Katholizismus,
>Marxismus,
>Psychoanalyse, >Anthroposophie,
>Esoterik.
Ich glaube, daß der naturalistische Fehlschluß auch unter Gegnern von
"Blut und Boden" verbreitet ist. |
... Gesinnungsethik, ... |
Einen zweiten Problempunkt vermute
ich in dem, was als sogenanntes "Schuldprinzip" nach wie
vor Bestandteil geltenden Strafrechts ist, nämlich die Ausrichtung von
Ethik an subjektiver Gesinnung statt an den objektiven Auswirkungen
eines Verhaltens, wie letzteres etwa einem >Wiedergutmachungsrecht entsprechen würde. Ich
glaube, daß Gesinnungsethik bei der Produktion von gutem Gewissen damals
wie heute eine große Rolle spielt und mitverantwortlich ist etwa für die
Selbstfreisprechung der Richter nach dem Zusammenbruch des Naziregimes. |
... Vorrang der Sozialethik ... |
Einen dritten Problempunkt
der "Blut- und Boden"-Ideologie vermute ich im Verkleben von >Individual-
und >Sozialethik (vgl. hierzu Schweitzer 1923). Das
führt unter anderem dazu, daß ein Verhalten schon dann als ethisch weitgehend
gerechtfertigt gilt, wenn es unegoistisch ist. Auch diese Denkfigur ist
heute noch weit verbreitet. Vielleicht könnte die Diskussion auf der abstrakten
Ebene allgemeiner Ethik bzw. >Meta-Ethik
den Vertretern von "Blut und Boden" neue Türen des Denkens
eröffnen. Die Ideologie von "Blut und Boden", verkörpert in ihren
toten und lebenden Vertretern, könnte sich dann selbst weiterentwickeln
und zu etwas wandeln, das nur mehr entfernt mit dem zu tun hat, was heute
alt- oder neonazistisch genannt wird. |
... Gefahrenpunkte auch in anderen Denktraditionen? |
Umgekehrt könnte sich herausstellen,
daß auch andere Denktraditionen die gleichen Keime der Verderbnis in sich
tragen wie "Blut und Boden", die zu ethischen Katastrophen wie
Krieg und Völkermord beitragen können. |
Keine Erfolgsgarantie für Diskussion |
Vielleicht aber müßte man
sogar die Möglichkeit ins Auge fassen, daß es reflektierte Vertreter von
"Blut und Boden" gibt, die weder angesichts der historischen
Fakten über das vielmillionenfache Elend, das das "tausendjährige
Reich" über die Welt gebracht hat, noch in der Konfrontation mit
logischen Widersprüchen bereit sind, von ihren Positionen abzurücken.
Selbst ein solches Ergebnis könnte als weiterführende Erkenntnis bei der
Erforschung des Ökosystems der Ideen gedeutet werden. |
ein mühseliges
Unterfangen |
|
Auch lange Wege können gegangen werden, wenn man
viel Zeit hat. |
Das hier vorgeschlagene
Gespräch mit den Toten ist - zugegeben - ein mühseliges Unterfangen. Da es aber
nicht von einem einzelnen, sondern von einer ganzen Berufsgruppe, letztlich
von der ganzen Bevölkerung getragen werden könnte, und das über Jahrzehnte
hinweg, dürfte sich die Belastung des einzelnen in Grenzen halten. Die Alternative, "die Toten
ruhen lassen", ja geradezu froh darüber zu sein, daß man mit den braunen
Gründervätern nicht mehr zu diskutieren braucht, scheint mir jedenfalls
etwas zu kurz gegriffen. Angesichts der Kürze eines Menschenlebens ist es
allerdings verständlich, wenn sich nicht jeder mit jeder Ideologie und
jedem Zeitgenossen auseinandersetzen möchte. Dieser Gesichtspunkt gilt
allerdings nicht unbedingt für die Auseinandersetzung einer Berufsgruppe
oder einer ganzen Bevölkerung mit einer Ideologie wie "Blut und
Boden". Wenn das Wort "Was vergessen wird, geschieht"
etwas Wahres enthält, könnte sich das Unternehmen insgesamt doch lohnen. |
Was wäre denn die Alternative? |
Umgekehrt: Ohne eine grundsätzliche
Bereitschaft zum Gespräch mit den Toten fürchte ich die Gefahr der
Selbstgerechtigkeit. Wohin diese wiederum führen kann, zeigt sich symptomhaft
in den USA im Gefolge der Bewegung für ">political
correctness", aber auch in der derzeitigen, von selbstgerechten
Eiferern geschürten Hysterie um den sogenannten "sexuellen Mißbrauch".
Der strahlend weiße Zentralbereich kollektiver ethischer Entrüstung
gebiert Hexenwahn. Ich rege an, die Frage der
politischen Implikationen brauner Altlasten grüner Berufe in den Rahmen der
Diskussion von "Blut und Boden" überhaupt zu stellen und zum Anlaß
für ein langes Gespräch mit den Toten zu nehmen. |
|
|
|
|
|
|
Quellen |
|
|
Bateson, G.:
Ökologie des Geistes. Suhrkamp 1985 Info-Dienst Deutsche
Aussiedler Nr. 39, 1993 Levy, S.: KL - Künstliches Leben
aus dem Computer. München: Droemer-Knaur
1993 Moravec, H.: Mind Children. Hamburg: Hoffmann & Campe
1992 "Prinzip
Grausamkeit", SZ 13.5.1994, S. 64 Schmidt, I.: Verleugnet und
verdrängt. Garten und Landschaft
11/1994 Schweitzer, A.: Kultur und Ethik. München: C.H. Beck 1923/1960 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Begriffe - wie sie hier verwendet
werden |
|
|
abstrakt = nichtgegenständlich,
verallgemeinert äquivalent = im betreffenden Zusammenhang
gleichwertig, gleichbedeutend Anthroposophie = von Rudolf Steiner begründetes,
>esoterisches Denk- und Lehrgebäude, das den Geist des Menschen mit dem
Geist der Welt zu verbinden sucht Blut und Boden = symbolische Formel für faschistische
bzw. nazistische Ideologie mit der Betonung von Gesichtspunkten von Rasse und
Abstammung ("Blut") und Lebensraum ("Boden") braun = (hier) Kurzformel
für faschistisch bzw. nazistisch Diffusion = Ausbreitung von Elementen
(zum Beispiel von Stoffteilchen) in realen oder >abstrakten
Räumen, angetrieben durch die zufällige Wärmebewegung der Teilchen.
Nach >Entropiesatz nie völlig zu vermeiden. Einvernehmlichkeit = Zusammengehen von zwei
oder mehreren Willen. Grundlage von Verträgen Energie-Erhaltungssatz = Satz von der Erhaltung der
Energie und damit der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile 1. Art (einer
Maschine, die aus nichts Energie erzeugen kann). Gleichbedeutend mit der
Annahme der Gleichförmigkeit der Zeit. Auch "Erster Hauptsatz der Thermodynamik"
genannt. Entropiesatz = "Zweiter Hauptsatz
der Thermodynamik", ein allgemeines Naturgesetz, das die Unumkehrbarkeit
der Zeit - unter gängigen Bedingungen - behauptet, gleichbedeutend - den Übergang von >Systemen in der Zeit zu wahrscheinlicheren Zuständen,
das heißt bei abgeschlossenen Systemen zu größerer Unordnung, bei offenen
Systemen mit Energie-Umsatz und Stoffströmen zu größerer Ordnung, - die Unmöglichkeit, Ordnung
ohne Energieeinsatz zu schaffen, insbesondere - die Unmöglichkeit, ein
"Perpetuum mobile 2. Art" zu bauen - eine Maschine, die ohne
Reibung läuft. Der Entropiesatz wird in verschiedenen Sprichwörtern ausgedrückt, zum Beispiel: "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht"; "Die Bäume wachsen nicht in den Himmel". Esoterik = Geheimlehre; heute oft
Sammelbegriff für Lehrgebäude, die einen unmittelbaren Zugang zu Wissen
über die Welt - ohne Beobachtung oder Experiment - versprechen Ethik = Lehre vom Guten Evolution = Entwicklung, insbesondere
Entwicklung der lebenden >Systeme auf der Erde in
gegenseitiger Beeinflussung und unter Veränderung der inneren Struktur Faschismus - im allgemeineren Sinn =
am Führerprinzip orientierte, nationalistische, antiliberale und
antikommunistische Herrschaftsform. genetisch = die biologische Vererbung
betreffend Hauptsätze der Thermodynamik = >Energie-Erhaltungssatz
und >Entropiesatz. Ideologie = interessengebundene Weltanschauung,
meist von politischen oder gesellschaftlichen Gruppen. Individualethik = >Ethik
des Individuums Katholizismus = Gesamtheit der durch den
Glauben bedingten Anschauungen und Lebensäußerungen der Katholischen Kirche
und ihrer Gläubigen kognitiv = das Erkennen betreffend
(Gegensatz: >normativ) Komplexität = Vielfalt unterschiedlicher
Beziehungen in einem >System Konflikt = Zusammenprall
gegensätzlicher Interessen Marxismus = weitgespanntes, vor allem
auf Karl Marx zurückgehendes politisches Lehrgebäude, an dessen Anfang die
Kritik an den Ungerechtigkeiten des Kapitalismus stand Meta-Ethik = Sprechen über >Ethik; wissenschaftliches Erforschen von Ethik Möglichkeitenraum = >abstrakter Raum, der
aus den Koordinaten aufgespannt wird, auf denen die Eigenschaften oder
Beziehungen eines >Systems abgebildet werden.
Dient zur Veranschaulichung bei der Beschreibung von Systemen und ihrem
Verhalten. Mutation = Erschließen von
Möglichkeiten durch kleinste Veränderungen, insbesondere in der >Evolution Nationalsozialismus = Die 1933-1945 in
Deutschland staatstragende >Ideologie, gekennzeichnet
unter anderem durch gewalttätigen Totalitarismus (Ablehnung der Gewaltenteilung;
"Gleichschaltung" aller Lebensbereiche unter dem Staat; Einheit
von Partei und Staat), Führerprinzip, Antimarxismus, Rassismus, Antisemitismus, Imperialismus. naturalistischer Fehlschluß = Schluß vom Sein aufs Sollen; Versuch, ethische Werte
aus Erkenntnissen abzuleiten. normativ = Werte und Normen
betreffend. Gegensatz: >kognitiv. Ökologie = Wissenschaft von den Wechselwirkungen,
insbesondere dem Stoff- und Energieaustausch lebender >Systeme mit ihrer
Umwelt - auch Wissenschaft von den >Ökosystemen Ökosystem = >System aus
Lebewesen, unbelebten sowie technischen
Bestandteilen, die untereinander und mit ihrer Umwelt in Wechselwirkung
stehen, insbesondere Energie oder Stoffe austauschen. physisch = körperlich, stofflich political correctness = Bemühung, unterprivilegierten Gruppen der
Gesellschaft schon in der Sprache mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Besonders in den USA verbreitet. Population = Gesamtheit aller
Individuen einer Art in einem bestimmten Raum bzw. >Ökosystem Prämisse = logische Voraussetzung Psychoanalyse = von Sigmund Freud begründetes
Lehrsystem zur Deutung psychischer Vorgänge. Erhebt einen therapeutischen
Anspruch Selektion = Auslese, Vernichtung von
Möglichkeiten, insbesondere in der >Evolution Sozialethik = >Ethik
von Gruppen und ihren Vertretern Symbiose = Zusammenwirken zwischen
zwei oder mehreren lebenden Systemen (zum Beispiel Pflanzen, Tieren,
Menschen) zu gegenseitigem Vorteil System = Gesamtheit von Elementen,
die untereinander, bei offenen Systemen auch mit ihrer Umwelt in Beziehung
stehen. Thermodynamik = Wärmelehre, heute auch
verallgemeinert auf alle Anwendungen des >Entropiesatzes. totalitär = alle Lebensbereiche
steuern wollend (Staaten, Ideologien) Wiedergutmachungsrecht = Alternative zum
Strafrecht; An die Stelle der Strafe tritt eine Wiedergutmachungsleistung des
Täters an das Opfer. |
|